Charlotte Elisabeth Konstantina Recke

Lebensdaten

Namensformen

Geburtsname:
Medem
GebPrädikat:
von
Namensvarianten:
Elise von der Recke, Elisa von der Recke

Genealogie

Genealogie:
Vater: Johann Friedrich von Medem (1722-1785), sächs. Kammerherr Mutter: Luise Dorothea geb. von Korff (gest. 1758) Halbschwester: Dorothea Herzogin von Kurland (1761-1821) Ehemann: Peter Magnus von der Recke Kinder: Friederike (1774-1777).

Biographie

Lebenslauf:

1754
Charlotte Elisabeth Konstantina wird als Tochter des sächsischen Kammerherrn und späteren Reichsgrafen Johann Friedrich von Medem auf Gut Schönberg bei Mitau, der Hauptstadt des baltischen Herzogtums Kurland, geboren.

1758
Tod der Mutter Luise Dorothea. Elisabeth wächst bei ihrer Großmutter mütterlicherseits, Constanzia von Korff auf.

1767
Rückkehr zur Familie des Vaters. Zur Erziehung gehört die frühzeitige Beschäftigung mit der Literatur. Briefe an ihre Freundin Sophie Stoltz werden zu Versuchen eigener literarischer Ausdrucksform.

1771
17-jährig heiratet sie Georg Peter Magnus von der Recke, den Neffen ihrer Stiefmutter. Die Ehe verläuft nicht glücklich. In ihr Tagebuch aus den Jahren 1789 vermerkt Elisa rückblickend: "In einem Alter von funfzehn Jahren [diese Alterangabe stimmt nicht mit den tatsächlichen Daten überein] wurd ich einem Manne gegeben, den ich zu lieben wünschte und nicht lieben konnte, weil unsere Neigungen durchaus entgegengesetzt waren. Er, hart und leidenschaftlich, heuchelte in Gegenwart meiner Verwandten die zärtlichste Liebe zu mir und eine Gefälligkeit, für die er mich desto mehr mißhandelte, wenn wir ohne Zeugen waren. Die Fehler, die ich täglich mehr an ihm entdeckte, entfernten mein Herz noch weiter von ihm als die Unfreundlichkeit, mit welcher er sich gegen mich, gegen alle meine Freundinnen und  selbst gegen meine Geschwister betrug. (...). Ich faßte den Vorsatz, die traurige Einsamkeit, die mich umgab, zu  meiner innern Verelendung zu benutzen und in meiner unglücklichen Ehe wenigstens durch Zufriedenheit mit mir selbst und den Beifall der Beobachter meines Lebens einigen Ersatz zu finden". (Elisa von der Recke: Tagebücher und Selbstzeugnisse, S.34 ff.).

1774
Geburt der Tochter Friederike.

1776
Trennung von ihrem Mann.

1777
Tod der Tochter Friederike.

1778
Heiratsantrag von Johann Dietrich von Holtei, den sie bereits seit 1776/77 kennt. Der Bruder des Schriftstellers Karl von Holtei bleibt ein Leben lang Elisas "Ideal und Maßstab männlicher Tugenden" (Christine Träger in: Recke: 1984, S. 11). Gleichwohl steht die Konkurrenz der Bewerber um Elisas Gunst in bestem Ruf: Der preußiche Prinzenerzieher Stamford, Graf Dembinski aus Polen, ehemaliger Adjutant Friedrich II., General Goltz und einige andere hochrangige Vertreter der höfischen Gesellschaft Sachsens und Preußens bemühen sich um ihre Aufmerksamkeit.

1779
Nach der Hochzeit ihrer Halbschwester Anna Charlotte Dorothea mit dem letzten Herzog von Kurland Peter Biron hält sich Elisa häufig am Mitauer Hof auf. Zur selben Zeit ist der europaweit bekannte Graf und Obrist des spanischen Hofes Cagliostro dort zu Gast.

1781
Scheidung von ihrem Mann.

1783
"Elisens Geistliche Lieder, nebst einem Oratorium und einer Hymne von C. F. Neander", herausgegeben von Johann Adam Hiller erscheinen bei Dyk in Leipzig.

1784-1786
Reise durch Deutschland, bei der sie von ihrer Freundin Sophie Becker begleitet wird. Den Winter verbringt sie in Wülferode im Harz bei dem Dichter Leopold Friedrich Guenther von Goeckingk. In Halle besucht sie die "Franckesche Stiftung".
1785 hält sie sich längere Zeit in Berlin auf.

In Dresden macht sie unter anderem die Bekanntschaft der Familie Gottfried Körners. Sie lernt auch den Kapellmeister Johann Gottlieb Naumann kennen, bei dem sie zwischen 1799 und 1801 wohnt, wenn sie Dresden besucht.

1787
Elisa von der Recke trägt in Mitau zur Entlarvung des Hochstaplers "Cagliostro" (Joseph Balsamo) bei. In Berlin veröffentlicht sie bei Friedrich Nicolai die Schrift "Nachricht von des berüchtigten Caliostro Aufenthalt in Mitau 1787 und von dessen magischen Operationen".
Sie beschreibt ihre Begegnungen mit Cagliostro, ihre anfängliche Faszination für den selbsternannten Wunderheiler sowie ihre zunehmende Skepsis gegenüber seinen magischen Experimenten, Geistererscheinungen und Heilpraktiken. Die Schrift endet mit der gottesfürchtigen aber der Aufklärung verpflichteten Selbststilisierung: "Mein Herz schlägt voll trauriger Besorgnis, wenn ich so manche edle Seele von diesem Hange zur Mystik ergriffen sehe! Doch! ich traue auf Gott, der mich aus den Labyrinthen der Schwärmerei und des Aberglaubens herausgeführt hat und dessen ewige Weisheit selbst durch Irrglauben und Aberglauben die Seelenkräfte der Menschen allmählich entwickelt und zur Glückseligkeit reifen läßt. Dieser allweise Regierer aller Wesen wird auch zum Besten der Vernunft das herumschleichende Gift des Aberglaubens endlich zur wohltätigen Arznei auflösen" (Recke 1984, S. 399).
Die Schrift wird in mehrere Sprachen übersetzt und verschafft Elisa europaweite AnerKursivkennung sowie den Ruf einer rationalen "Aufklärerin". In Deutschland wird sie in verschiedenen Presseorganen der Aufklärung besprochen und gewürdigt. In Albrecht Wittenbergs "Historisch-politischem Magazin" aus Hamburg schreibt ein anonymer Autor: "Eine ungemein merkwürdige Schrift, für deren Herausgabe man der verehrungswürdigen Frau Verfasserin sowohl, als dem Herrn Herausgeber den wärmsten Dank schuldig ist, und die allen denen willkommen sein muß, welche das Wohl des menschlichen Geschlechts und die Einschränkung der Schwärmerey am Herzen liegt". (Historisch-politisches Magazin Bd. 1, 1787, S. 81)

1791
Berlinaufenthalt. In ihrem Tagebuch vermerkt sie am 15. September: "Der Anblick dieser schönen Königstadt flößt mir immer die heiligste Ehrfurcht für den ein, unter dessen Regierung Berlin und der preußische Staat das wurden, was sie bei seinem Tode waren". (Recke 1984, S. 139).
Die Verehrerin Friedrich II. fühlt sich offensichtlich wohl in der Gesellschaft Gleichgesinnter. In Berlin trifft sie Nicolai, Biester und Gedicke, den königlichen Leibarzt Christian Gottlieb Selle, Karl August v. Struensee, den Graf von Carmer, Stamford und einige andere hochrangige Mitglieder der hofnahen Berliner Gesellschaft.

1795
Reise nach St. Petersburg, wo sie von Katharina II. für ihre Schrift gegen Cagliostro ausgezeichnet wird. Zudem werden ihr das Domänengut Pfalzgrafen verliehen. Der Thronwechsel zu Paul I. veranlaßt sie jedoch zur Rückkehr nach Mitau.

1797
Elisa von der Recke lebt abwechselnd in Berlin, Dresden, Leipzig und auf dem Gut Löbichau in Kurland. Hier lernt sie den Dichter Christoph August Tiedge kennen, mit dem sie ab 1803 in einer Lebensgemeinschaft zusammen lebt.

1803-1809
Elisas jüngere Schwester Dorothea Herzogin von Kurland unterhält in Berlin im Kurländischen Palais  Unter den Linden 7 einen Salon. Zu den Gästen gehören Friedrich Gentz, Prinz Louis Ferdinand, die Schlegels, die Gebrüder Humboldt, Henriette Herz, Friedrich Parthey, die Fürstin Luise Radziwill u. a. Auch Elisa und ihr Freud Tiedge sind häufig zugegen.

1804 bis 1806

Italienreise unter anderem mit Tiedge.

1815
Elisa von der Recke bezieht eine Parterrewohnung im Kurländischen Palais in Berlin. Obwohl sie häufig Gäste empfängt ist die Bezeichnung "Salon" eher unangemessen. Die Gastlichkeit ihrer Schwester wird von ihr nicht reinstitutionalisiert, es bleibt eher bei gelegentlichen Geselligkeiten.

1819
Übersiedlung nach Dresden, wo sie die letzten 14 Jahre ihres Lebens verbringt. Auch in Dresden ist Elisa Teil der gehobenen Gesellschaft.

1833

Elisa von der Recke stirbt 79jährig in Dresden.

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Elisa von der Recke war eine zeitlebens der "Empfindsamkeit" verpflichtete Dichterin. Ihre Werke sind von Schwärmerei und Freundschaftskult geprägt. Europaweit bekannt wurde sie durch ihre Schrift "Nachricht von des berüchtigten Caliostro Aufenthalt in Mitau 1787 und von dessen magischen Operationen", in der sie die Tricks des selbsternannten Wunderheilers und Geistersehers offen legte.
Sie reiste viel und besuchte des Öfteren ihre Halbschwester Dorothea Herzogin von Kurland in Berlin, die dort im Kursächsischen Palais von 1803 bis 1809 einen Salon unterhielt. Elisa war befreundet mit Henriette Herz, Anton Graff und der Familie Nicolai-Parthey. Seit 1803 lebte Elisa von der Recke mit dem Dichter Christoph August Tiedge zusammen, gemeinsam unternahmen sie von 1804 bis 1806 eine Italienreise. Von ihrem Mann Peter Magnus von der Recke, den sie 1771 geheiratet hatte, war sie 1781 geschieden worden, die gemeinsame Tochter Friederike starb bereits im Kleinkindalter. Elisa von der Recke bezog 1815 eine Wohnung im Kurländischen Palais. Ihre gelegentlichen Empfänge nahmen jedoch nicht die Formen der Salon-Geselligkeit an. 1819 siedelte sie gemeinsam mit Tiedge nach Dresden über, wo sie die letzten 14 Jahre ihres Lebens verbrachte. Christine Träger beschreibt die vielfältigen Bekanntschaftsverhältnisse Elisas im Vorwort ihrer Tagebücher und Selbstzeugnisse: "Es gibt kaum eine im damaligen geistig-kulturellen Leben bekannte Persönlichkeit, zu der eine Beziehung zu knüpfen sie nicht wenigstens versucht hätte. Sie verkehrte im Halberstädtischen Dichterkreis um Gleim ebenso wie im Kreis der Berliner Aufklärer Nicolai, Biester, Gedike, Mendelssohn, Ramler und Spalding. Auf ihrer Reise nach Hamburg besuchte sie Klopstock und lernte Matthias Claudius kennen, schon vorher in Leipzig Christian Felix Weiße und Christian Friedrich Blankenburg. Sie kannte außer Hiller, der eine Zeitlang auch mit dem herzoglichen Orchester in Mittau gearbeitet hatte, Musiker wie den Dresdner Kapellmeister und Komponisten Naumann und, wenn auch nur flüchtig, Philipp Emanuel Bach. Zu ihren Freunden und Bekannten gehörten bildende Künstler, Maler und Kupferstecher, die Leipziger Oeser und Bause, in Dresden Anton Graff, der sie auch gemalt hat, und Adrian Zingg, in Berlin Chodowiecki. Sie korrespondierte mit Lavater und interessierte sich für dessen "Physiognomische Fragmente". Sie suchte die Bekanntschaft mit führenden Theologen und rationalistischen Kritikern des Offenbarungsglaubens in Leipzig, Halle, Berlin und Hamburg. Sie kannte Reimarus, auf den sich Lessing in seiner religionskritischen Argumentation berufen hat, ebenso wie den Hauptpastor Goeze, bei dem sie in Hamburg eine Predigt gehört hat. Bei ihren Aufenthalten am Dessaurer Hof disputierte sie über die philanthropistische Pädagogik Basedows, Rochows und Trapps. An den Höfen kunst- und wissenschaftsbeflissener Fürsten, wie Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und seine Frau Luise oder der Herzog von Augustenburg, der sich um die Förderung Schillers verdient gemacht hat, war sie, wie auch beim Grafen Moritz von Brühl in Dresden, ein gern gesehener Gast. Sie besuchte natürlich in Königsberg Kant und Hamann und stand mit führenden Repräsentanten des Weimarer Kulturlebens in Verbindung. Herder und dessen Frau kante sie wie auch Bode seit ihrer ersten Badereise nach Karlsbad. Goethe hat sie bereits vorher bei einem Besuch in Weimar aufgesucht.(...).Die Aufzählung muß sich, der Fülle der Namen wegen, auf eine charakterische Auswahl beschränken. Sie soll vor allem zeigen, daß Elisa der geistige Zugang zu den Gipfelleistungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Grunde nicht gelungen ist. Er bleibt vor allem auf die Literatur vor Goethe und Schiller begrenzt". (Christine Träger in: Recke 1984, S. 18 ff.).

Verwendete Literatur
Historisch-politisches Magazin. Literarischer Anhang 1787, Bd. 1, S. 81-82

Recke, Elisabeth von der: Tagebücher und Selbstzeugnisse. Hrsg. von Christine Träger. München: Beck 1984 (ebenfalls: Leipzig: Koehler & Amelang 1984)

Adelheid Müller: "Die Frau Kammerherrin von Recke wird Berlin passieren und wünscht Sie zu kennen" oder Preußen sind Menschen. In: Europäische Ansichten. Brandenburg-Preußen in der Wahrnehmung europäischer Reisender und Zuwanderer. Berlin 2004, S. 113-140.

SH

Werke/Literatur

Berlinaufenthalte

  • 1815-1819 Kurländisches Palais (Parterrewohnung) Unter den Linden 7

Register

Fachregister:
  • Literatur

Quellen

Allgemeine Quellen:
P. Wilhelmy, Der Berliner Salon

Person: Charlotte Elisabeth Konstantina Recke, Berliner Klassik, hrsg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2003-2013. URL: https://berlinerklassik.bbaw.de/personen/618.

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